· 

AUGUST-LV NEWS

                                                                       News 08/2021 (Stand 26.08.2021)

 

 

Änderungen im LSD-BG ab 1. September 2021

 

Der Gesetzgeber hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH 12.09.2019, C-64/18) zum Anlass genommen, das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSD-BG) in einigen Punkten zu überarbeiten. Die mit 1. September 2021 in Kraft tretenden Änderungen betreffen zum überwiegenden Teil Entsendungen und Arbeitskräfteüberlassungen aus dem Ausland nach Österreich sowie eine Überarbeitung des Strafenkatalogs im LSD-BG. Hier finden Sie einen kompakten Überblick über die für die Praxis wichtigsten Änderungen.

 

Anpassungen beim Geltungsbereich des LSD-BG

Künftig sind Entsendungen oder Überlassungen nach Österreich zu Schulungszwecken auch bei längerer Dauer vom LSD-BG ausgenommen (§ 1 Abs. 7 LSD-BG).

Neu ist außerdem die Ausnahme von „Spitzenverdienern“: Vom LSD-BG sind nunmehr Personen ausdrücklich ausgenommen, deren monatliche Bruttoentlohnung mindestens 120 % der SV-Höchstbeitragsgrundlage (somit im Jahr 2021: € 6.660,00) beträgt (§ 1 Abs. 8 Z. 2 und 3 LSD-BG).

 

Gleichstellung bei langfristigen Entsendungen oder Überlassungen nach Österreich

Bei Entsendungen oder Überlassungen von Arbeitnehmern aus dem EWR oder der Schweiz sind ab einer Dauer von 12 Monaten die österreichischen Arbeitsrechtsvorschriften (Gesetz, Kollektivvertrag, Mindestlohntarif) zur Gänze anzuwenden, soweit diese günstiger sind als die Normen des Herkunftsstaates. Bei der Berechnung der Entsendedauer ist die vorangehende Zeit einer Entsendung eines ersetzten Arbeitnehmers zu berücksichtigen.

 

Im Falle von längeren Entsendungen bzw. Überlassungen erfolgt somit ab dem Überschreiten der Frist von 12 Monaten eine arbeitsrechtliche Gleichstellung mit „regulären“ Inlandsbeschäftigungen. Von dieser Gleichstellung ausgenommen sind lediglich die Regelungen des BMSVG (Abfertigung Neu), des Betriebspensionsgesetzes und des Beendigungsrechts einschließlich von Konkurrenzklauseln.

 

Die Frist von 12 Monaten kann durch eine mit einer Begründung versehenen Mitteilung an die Behörde in deutscher oder englischer Sprache auf 18 Monate verlängert werden (§ 2 Abs. 3 LSD-BG). Mögliche Gründe für eine Verlängerung können beispielsweise sein:

·         die über 12-monatige Dauer des zugrunde liegenden Dienstleistungsvertrags (des ausländischen Arbeitgebers mit dem österreichischen Kunden),

·         verspätete Materialanlieferungen,

·         behördliche Maßnahmen,

·         eine Erkrankung des Arbeitnehmers o.ä.

 

 

 

 

Kollektivvertragliche Reisekostenersätze für nach Österreich entsandte Arbeitnehmer

Ein nach Österreich entsandter Arbeitnehmer hat – unabhängig von der Dauer der Entsendung – Anspruch auf Aufwandersatz für während der Entsendung anfallende Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten entsprechend den im fachlich einschlägigen Kollektivvertrag oder Mindestlohntarif vorgesehenen Bestimmungen (§ 3 Abs. 7 LSD-BG).

 

Damit wird die bisherige „Absicherung“ des österreichischen Entgeltniveaus bei Entsendungen nach Österreich künftig auch auf Reisekostenersätze ausgedehnt.

 

Rahmenmeldungen für Entsendungen und Überlassungen nach Österreich

Bei den Rahmenmeldungen für wiederholte Entsendungen (ZKO 3) und Überlassungen (ZKO 4) nach Österreich kommt es zu Erleichterungen: Die mögliche Höchstdauer einer Rahmenmeldung wird von drei auf sechs Monate ausgedehnt (§ 19 Abs. 5 LSD-BG).

 

Im Bereich der so genannten „Sammelmeldungen“ für Einsätze bei verschiedenen Auftraggebern (§ 19 Abs. 6 LSD-BG) erfolgt aus Gründen der Rechtssicherheit eine Präzisierung, was unter einem engen zeitlichen Zusammenhang zu verstehen ist. Voraussetzung ist demnach künftig, dass die Erfüllung der mit mehreren Auftraggebern geschlossenen gleichartigen Dienstleistungsverträge bei durchgehendem Aufenthalt des Arbeitnehmers in Österreich innerhalb einer Woche erfolgt.

 

Erleichterungen bei der Bereithaltung von Lohnunterlagen

Neu ist, dass bei Entsendungen und Überlassungen nach Österreich künftig sämtliche Lohnunterlagen (nicht nur die Dienstverträge) auch in englischer Sprache bereitgehalten werden können (§ 22 Abs. 1 LSD-BG).

Für maximal 48 Stunden dauernde Entsendungen (ausgenommen „mobile Arbeitnehmer“ im Transportbereich) ist eine zusätzliche Erleichterung vorgesehen: Es müssen nur der Dienstvertrag bzw. Dienstzettel und die Arbeitszeitaufzeichnungen bereitgehalten werden (§ 22 Abs. 1b LSD-BG).

 

„Fehlende Information auf www.entsendeplattform.at“ gilt als Milderungsgrund

Aufgrund der Entsenderichtlinie der EU ist jeder Mitgliedstaat verpflichtet, auf einer offiziellen Website Informationen über die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen im jeweiligen Staat zu veröffentlichen. In Österreich ist dies die Internetseite www.entsendeplattform.at.

 

Nunmehr erfolgt eine gesetzliche Klarstellung, dass das Fehlen von Informationen auf dieser Website im Verwaltungsstrafverfahren als Milderungsgrund zu werten ist (§ 25a LSD-BG).

 

Neugestaltung des Verwaltungsstrafen-Katalogs

Aus Anlass einer EuGH-Entscheidung, wonach die im LSD-BG vorgesehenen Administrativdelikte (Sanktionen bei Verletzung von Melde- und Bereithaltepflichten) dem EU-Recht widersprächen, werden die Verwaltungsstrafbestimmungen im LSD-BG stark abgeändert. Die Änderungen betreffen nicht nur die vom EuGH kritisierten Administrativdelikte, sondern auch Verstöße gegen den Tatbestand der Unterentlohnung (§ 29 LSD-BG).

 

·         Verstöße gegen die Melde- und Bereithaltepflichten (für ausländische Arbeitgeber bei Entsendungen bzw. für inländische Beschäftiger bei grenzüberschreitenden Überlassungen): Derartige Übertretungen werden künftig unabhängig von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer nur mehr mit einer Verwaltungsstrafe sanktioniert. Es entfällt somit die Bestrafung je Arbeitnehmer und es gibt auch keine Mindeststrafe mehr. Der Strafrahmen beträgt bis zu maximal € 20.000,00.

·         Vereitelungshandlungen im Zusammenhang mit Lohnkontrollen: Auch hier entfällt die Bestrafung je Arbeitnehmer und die Mindeststrafe. Der Strafrahmen beträgt bis zu maximal € 40.000,00.

·         Unterentlohnung („Lohndumping“): In der Neuregelung der Unterentlohnung (§ 29 LSD-BG) wird ebenfalls vom Kumulationsprinzip und der Bestrafung pro Arbeitnehmer abgegangen. Auch die Mindeststrafen und die generellen Verschärfungen im Wiederholungsfall werden beseitigt. Die Staffelung des Strafhöchstrahmens ist in der nachfolgenden Tabelle aufgelistet.

 

 

Höchstrahmen bei strafbarer Unterentlohnung

(unabhängig von der Arbeitnehmerzahl)

Geldstrafe bis zu

Grundsatzregel

€ 50.000,00

Betriebe (§ 34 ArbVG) mit maximal neun Arbeitnehmern, kein Wiederholungsfall und Summe des vorenthaltenen Entgelts unter € 20.000,00

€ 20.000,00

Summe des vorenthaltenen Entgelts beträgt mehr als € 50.000,00

€ 100.000,00*

Summe des vorenthaltenen Entgelts beträgt mehr als € 100.000,00

€ 250.000,00*

Summe des vorenthaltenen Entgelts beträgt mehr als € 100.000,00 und wurde vorsätzlich mehr als 40 % des Entgelts vorenthalten

€ 400.000,00

 

*Wirkt der Arbeitgeber bei der Aufklärung der Wahrheitsfindung unverzüglich und vollständig mit (z.B. Offenlegung aller relevanten Unterlagen), ist anstelle des Strafrahmens von € 100.000,00 oder € 250.000,00 der jeweils niedrigere Strafrahmen anzuwenden.

 

 

 

Bescheinigungen (ZKO und A1) bei grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsätzen

 

Aus Anlass der aktuellen Novelle zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (siehe dazu den vorstehenden Beitrag) möchten wir an die – in der Praxis immer wieder übersehenen – Formalitäten (erforderliche Meldungen und Bescheinigungen) hinweisen, die bei grenzüberschreitenden Mitarbeitereinsätzen zu beachten sind.

 

Entsendungen oder Überlassungen nach Österreich

Ausländische Unternehmen, die ihren Sitz in einem EU/EWR-Mitgliedstaat oder der Schweiz haben, müssen die Entsendung oder Überlassung von Arbeitnehmern nach Österreich vor Beginn der Arbeiten (bei mobilen Arbeitnehmern im Transportbereich: vor der Einreise nach Österreich) melden (§ 19 LSD-BG).

 

Die Meldung hat mittels Web-Formular an das Amt für Betrugsbekämpfung/Finanzpolizei/Zentrale Koordinationsstelle zu erfolgen. Für Entsendungen gibt es das Formular ZKO 3, für Überlassungen das Formular ZKO 4.

 

Link: https://www.bmf.gv.at/themen/betrugsbekaempfung/zentrale-koordinationsstelle.html

 

Zusätzlich hat der ausländische Arbeitgeber darauf zu achten, dass seine Mitarbeiter mit einer gültigen A1-Bescheinigung (als Nachweis für die im ausländischen Staat bestehende Sozialversicherung) ausgestattet sein müssen. Die ZKO-Meldung und die A1-Bescheinigung sind – ebenso wie die Lohnunterlagen – für allfällige behördliche Kontrollen bereitzuhalten. 

 

Ausländische Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat (außerhalb des EU/EWR-Bereichs und der Schweiz) können Arbeitskräfte nur entsenden oder überlassen, wenn eine Entsendebewilligung, eine Beschäftigungsbewilligung und/oder eine Überlassungsbewilligung vorliegt.

 

Entsendungen oder Überlassungen von Österreich ins Ausland

Im Falle von Entsendungen ins Ausland ist auf die Vorschriften des jeweiligen Einsatzstaates zu achten. So gibt es Staaten, die – ähnlich wie die österreichischen ZKO-Meldungen – verpflichtende Meldungen für grenzüberschreitende Arbeitseinsätze vorsehen (siehe z.B. für Deutschland die Meldepflichten nach dem deutschen Mindestlohngesetz oder nach dem deutschen Arbeitnehmerentsendegesetz).

 

 

Aus diesem Grund ist daher unbedingt zu empfehlen, sich rechtzeitig über länderspezifische Vorschriften zu informieren. Eine gute Hilfestellung bieten dabei in aller Regel die Außenstellen der Wirtschaftskammer.

Link: https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/aussenwirtschaftscenter.html

 

Unternehmen sind außerdem verpflichtet, bei grenzüberschreitenden Einsätzen von Mitarbeitern im EU/EWR-Bereich oder in der Schweiz beim zuständigen Krankenversicherungsträger vorweg eine A1-Bescheinigung einzuholen. Der Antrag hat i.d.R. elektronisch zu erfolgen. Die vom Versicherungsträger ausgestellte Bescheinigung (A1) dient in ausländischen Staaten dem Nachweis, dass der Mitarbeiter in Österreich sozialversichert ist. Der Mitarbeiter hat die A1-Bescheinigung im Ausland stets mitzuführen. Die Art und Dichte der behördlichen Kontrollen von A1-Bescheinigungen sind je nach Staat sehr verschieden (z.B. wird in Frankreich oder in der Schweiz i.d.R. erfahrungsgemäß strenger kontrolliert als in den anderen EU/EWR-Staaten).

 

Beachte: Für die A1-Bescheinigungspflicht gibt es an sich keine zeitliche Untergrenze (im Sinne einer „Bagatellgrenze“ o.ä.). Um keine Risiken einzugehen, sollte auch bei kurzfristigen Auslandseinsätzen eine A1-Bescheinigung vorliegen und von den Mitarbeitern mitgeführt werden. Andernfalls besteht das Risiko von Geldstrafen und anderen unangenehmen Folgen (z.B. den ins Ausland gereisten Mitarbeitern wird der Zutritt zum Einsatzort verweigert, weil sie keine A1-Bescheinigungen vorlegen können).

 

 

Aktuelles aus der Behördenpraxis

 

Erstattung der Sonderzahlungen bei Absonderung von Mitarbeitern

In den meisten Bundesländern haben die Bezirksverwaltungsbehörden mittlerweile auf die VwGH-Entscheidung zur Einbeziehung von Sonderzahlungen in die Vergütung gemäß § 32 Epidemiegesetz (VwGH 24.06.2021, Ra 2021/09/0094) reagiert. Die Formulare sind großteils bereits angepasst, und in den behördlichen Erläuterungen ist der bisherige Hinweis, dass Sonderzahlungen nur bei Fälligkeit im Absonderungsmonat erstattungsfähig seien, ersatzlos gestrichen worden.

 

Die Bezirksverwaltungsbehörden müssen die VwGH-Entscheidung jedenfalls für alle neuen Fälle anwenden. Für bereits laufende Fälle können Arbeitgeber, die die Rückvergütung ohne anteilige Sonderzahlungen beantragt bzw. erhalten haben, bis zum Eintritt der Rechtskraft den Vergütungsantrag nach § 32 Epidemiegesetz um die anteiligen Sonderzahlungen erweitern (auch noch im Beschwerdeverfahren).

 

Kleinkarierte Vorgehensweise des AMS bei Kurzarbeitsanträgen sorgt für Ärger

Wer mit dem Thema Kurzarbeit und damit zwangsläufig auch mit dem Arbeitsmarktservice zu tun hat, ist regelmäßigen Kummer wohl gewöhnt. Neuerdings sorgt das AMS leider beim Umgang mit Anträgen für die Kurzarbeitsphase 5 wieder einmal für Aufregung:

 

In zahlreichen Fällen werden Kurzarbeitsbegehren vom AMS wegen winziger Fehler oder wegen betraglicher Differenzen abgelehnt (z.B. unzutreffend gesetztes Hakerl, Differenz zwischen den im Antrag eingetragenen und den beim BMF gespeicherten Umsatzzahlen), ohne dass den Betrieben eine Erklärungs- oder Verbesserungsmöglichkeit eingeräumt wird. Infolge der mit 18. August 2021 ausgelaufenen Rückwirkungsoption verbleibt den Betrieben dann nur die Möglichkeit, neue Anträge (mit Wirkung nur für die Zukunft) einzubringen, wodurch die Kurzarbeitsbeihilfe i.d.R. für den gesamten Juli 2021 und einen großen Teil des Augusts 2021 komplett verloren geht.

 

Es entsteht beinahe der Eindruck, als würde die völlig überschießende Vorgehensweise des AMS darauf abzielen, staatliche Fördergelder zu sparen. Die eher alibimäßig wirkende „Vorwarnung“ des AMS am 18. August 2021, nur wenige Stunden vor dem Auslaufen der rückwirkenden Antragsmöglichkeit (!!!), spricht jedenfalls nicht für eine redliche Absicht der AMS-Verantwortlichen. Dass mit dieser Aktion leichtfertig die Existenz von Betrieben und Arbeitsplätzen aufs Spiel gesetzt wird, scheint in AMS-Kreisen niemanden zu kümmern.

 

Die Wirtschaftskammer ist derzeit bemüht, am Verhandlungsweg mit dem AMS eine halbwegs akzeptable Lösung für die betroffenen Fälle zu finden. Ob die Verhandlungen erfolgreich sein werden, steht leider noch in den Sternen. Aktuell heißt es jedenfalls: Daumen drücken und abwarten.

 

 

Einvernehmliche Auflösung und Kündigungsfrühwarnsystem (§ 45a AMFG)


Leider ist in manchen Betrieben ein Personalabbau infolge anhaltender wirtschaftlicher Schwierigkeiten unausweichlich. In diesem Zusammenhang ist das Kündigungsfrühwarnsystem gemäß § 45a AMFG zu beachten: Ist seitens des Arbeitgebers die Auflösung mehrerer Dienstverhältnisse innerhalb eines Zeitfensters von 30 Kalendertagen geplant, ist bei Erreichen der folgenden Schwellenwerte – spätestens 30 Kalendertage vor Ausspruch der ersten Kündigung – eine Meldung an das Arbeitsmarktservice zu erstatten (§ 45a-Anzeige):

 

·         in Betrieben mit i.d.R. mehr als 20 und weniger als 100 Beschäftigten: mindestens 5 Arbeitnehmer;

·         in Betrieben mit i.d.R. 100 bis 600 Beschäftigten: mindestens 5 % der Arbeitnehmer;

·         in Betrieben mit i.d.R. mehr als 600 Beschäftigten: mindestens 30 Arbeitnehmer oder

·         unabhängig von der Beschäftigtenzahl im Betrieb: mindestens 5 Arbeitnehmer, die das 50. Lebensjahr vollendet haben.

 

Für den Arbeitgeber ist es im eigenen Interesse sehr wichtig, die Meldepflicht zu beachten. Wird die § 45a-Anzeige nämlich gar nicht oder zu spät erstattet, führt dies zur Rechtsunwirksamkeit aller damit zusammenhängenden Kündigungen.

 

Das Frühwarnsystem gilt naturgemäß in erster Linie für Arbeitgeberkündigungen, wird aber von der Rechtsprechung seit Jahrzehnten auch in jenen Fällen angewendet, in denen der Arbeitgeber das Frühwarnsystem mit Hilfe anderer Beendigungsarten leicht umgehen könnte (z.B. bei unberechtigter Entlassung). In einem aktuellen Fall musste sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage befassen, ob das Kündigungsfrühwarnsystem auch für eine vom Arbeitgeber initiierte einvernehmliche Auflösung gilt.

 

Die differenzierende Aussage des Höchstgerichts (OGH 24.06.2021, 9 ObA 47/21h) lautet kurz zusammengefasst wie folgt: Einvernehmliche Auflösungen, die auf Initiative des Arbeitgebers zustande kommen,

·         sind zwar bei der für die Anwendbarkeit des Kündigungsfrühwarnsystems maßgeblichen Arbeitnehmerzahl (§ 45a Abs. 1 AMFG) mitzuzählen,

·         unterliegen aber nicht der Unwirksamkeitssanktion (§ 45a Abs. 5 AMFG).

 

 

Beispiel: Ein Betrieb mit 80 Arbeitnehmern plant, sich aufgrund der prekären wirtschaftlichen Lage von fünf Arbeitnehmern zu trennen. Die rechtzeitige Anzeige an das AMS (§ 45a AMSG) wird vergessen. Mit zwei Arbeitnehmern kann eine einvernehmliche Auflösung erzielt werden, drei Arbeitnehmer werden gekündigt. Sind die Auflösungen rechtlich wirksam oder unwirksam?

 

Es ist zu unterscheiden:

·         Für die Schwellengrenze des Frühwarnsystems (Auflösung von mindestens fünf Dienstverhältnissen in Betrieben mit 21 bis 99 Arbeitnehmern) zählen auch die beiden einvernehmlichen Auflösungen mit. Da somit fünf Arbeitnehmer von einer Auflösung betroffen sind (drei Arbeitgeberkündigungen, zwei einvernehmliche Auflösungen), wäre der Arbeitgeber zur Erstattung der § 45a-Meldung verpflichtet gewesen.

·         Das Unterbleiben der Meldung bewirkt, dass die drei Arbeitgeberkündigungen rechtsunwirksam sind (dies müssten die betroffenen Arbeitnehmer aber selbst geltend machen à „Wo kein Kläger, da kein Richter“). Die beiden einvernehmlichen Auflösungen bleiben hingegen rechtsgültig.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0